Dissoziation im Alltag

Im Alltag haben Menschen eine unterschiedlich hohe Dissoziationsfähigkeit. Bei manchen Menschen ist es so, dass sie sich gut aus der Gegenwart wegbeamen können und ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen, wie z. B. beim Lesen eines Buches oder einer kreativen Tätigkeit. Bei der alltäglichen Dissoziation trennen wir uns aus dem gegenwärtigen Geschehen und Ort. Tagträume können ebenso dissoziativ sein, wie die Autofahrt, bei der wir nicht mehr genau wissen, wie wir ans Ziel gekommen sind. Mit dem Stresserleben steigen auch Dissoziationen an. Personen mit weniger Fähigkeit zu dissoziieren sind in der Regel schnel­ler überfordert, als diejenigen, die in so einem Fall aus ihrem Alltag aussteigen kön­nen. 

Dissoziation bei Traumata

Die Dissoziation, eine sehr häufige Begleiterscheinung der Posttraumatischen Belastungsstörung und der komplexen PTBS, befähigt grundsätzlich dazu, belastende Lebensereignisse zunächst einmal seelisch zu überstehen. Damit erfüllt sie eine überlebenswichtige Schutzfunktion. Das kann z.B. bei Überforderung, extremen Stress, Reizüberflutung oder Unverständnis passieren und kann auch eine Form der Verarbeitung darstellen. Im Fall von lebensbedrohlichen Ereignissen wird das bewusste, vernunftgesteuerte Denken ausgeschaltet, damit sich der Körper in Sicherheit bringen kann.

Während eines traumatischen Ereignisses wird das Erlebte fragmentiert und in eigenständigen neuronalen Netzwer­ken gespeichert. Es ist nicht willentlich abrufbar und wird vom Alltag abgekoppelt. Aufgrund der Fragmentierung fällt es dem Gehirn schwer, es wieder zu einem einzigen Ereignis zusammenzusetzen. 

Gelingt dies nicht, wird es nicht integriert. Es wird nicht als ein zusammenhängendes Ereignis abgespeichert, dass der Person passiert ist. Die betroffene Person wird dann mit einem oder meh­reren Reizen an das Erlebte erinnert und durchlebt einzelne Fragmente wieder. Es fühlt sich dabei so an, als ob es gerade erst passiert. 

Zeit und Ort konnten dem Fragment durch den Hippocampus nicht zugeordnet werden. Dadurch bleibt es jederzeit triggerbar. Bei jeder Erinnerung dissoziiert die Person erneut. 

Es gibt verschiedene Formen und Schweregrade der Dissoziation. Dies können Gedächtnisprobleme oder Erinnerungslücken sein, das Gefühl, neben sich zu stehen und noch viel mehr. Michaela Huber beschreibt verschiedene Formen von Dissoziation, die während eines traumatischen Ereignisses stattfinden und später wiedererlebt werden können: Derealisierung, Depersonalisierung, Dissoziative Fugue. Eine gesonderte Form ist die Dissoziative Identitätsstörung. 

Bei einer schweren Dissoziation trennen sich Körper und Geist voneinander. Körperempfindungen (z.B. während eines Traumas) können komplett abgeschnitten werden. Je früher und häufiger so etwas erlebt und als erfolgreich schützend abgespeichert wird, umso eher wird es auch „erlernt“ und automatisiert. 

Dissoziative Identitätsstörung (DIS)

Wenn einem Kind extreme, ständig wiederkehrende Gewalttaten vom präna­talen Lebensalter bis etwa zum 7. Lebensjahr zugefügt wurden, kann sich aufgrund der mas­siven strukturellen Gewalt an einem kaum strukturierten Gehirn eine Dissoziative Identitätsstörung entwickeln. Das Kind spaltet hierbei komplette Persönlichkeiten von sich ab, die dann im Körper ein Eigenleben führen. 

Jede Persönlichkeit hat oft einen eigenen Namen und eine eigene Gewaltge­schichte, für die sie zuständig ist. Dagegen weiß sie von anderen Traumata häufig nichts. In der Regel gibt es immer Persönlichkeiten, die alle anderen kennen. Für die Person jedoch, die in der Beratung auftaucht, sind sie oft nicht erreichbar. Oftmals sind Personen untereinander auch heftig verfeindet. Andere dagegen sind sich emotional näher oder kümmern sich umeinander. 

Menschen mit einer DIS benötigen in der Regel jahrelange intensive Therapie, damit ihre Persön­lichkeiten sich kennenlernen können und lernen, es miteinander auszuhalten. 
 

Link-Tipp: Überblick über dissoziative Störungen

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